Was ist Hyperchoice?

von Momo, April 2024 🙂

Ist Online-Dating Scheiße?

Online-Dating repräsentiert heute ein mächtiger Markt im Internet. Im Alltag finden wir Werbung von Dating Apps in verschiedenen Medien und werden immer darauf aufmerksam gemacht. Es ist das Virtuelle Sex and the City. Normalerweise wird in Freund*innengruppen immer davon gequatscht was für schlimme, peinliche, und langweilige Kontakte durch Dating Apps geknüpft worden sind. Nutzer*innen von Dating Apps sind auf diesen Plattforms für einen klaren Grund und haben (meistens) ein konkretes Ziel vor Augen. Der Algorithmus der App hilft ihnen dabei die richtige Personenauswahl zu treffen. Der/die Nutzer*in hat durch das „Swipen“ und vorsichtige Auswählen potentieller „Tinder“-Dates die Kontrolle.  Warum sind dann trotzdem viele Nutzende immer noch nicht mit ihren Dates zufrieden… bzw. warum fühlt es sich so an, als hätte man immer wieder die falsche „Tinderperson“ auf ein Date eingeladen?
Vor kurzem las ich eine Hausarbeit für Soziologie, die sich genau damit auseinandergesetzt hat. Dort wurde das Phänomen des Online-Datings unter die Lupe genommen und der Fokus auf die Entscheidungen der Nutzenden gelegt: welche(r) Tinderboy/-girl/-person wird von uns ausgewählt und inwiefern werden wir diese Entscheidung (meistens) sofort bereuen?

Was um Himmels Willen ist die Kognitionswissenschaft?

Bevor ich mit dem Artikel fortfahren kann, muss kurz die Kognitionswissenchaft definiert werden. Da die Kognitionswissenschaften ein eigener Studiengang an der Uni-Freiburg ist, habe ich hier die konkrete Definition der Uni-Website, eingefügt:

„Kognitionswissenschaft (KW) hat zum Ziel, die geistigen Leistungen des Menschen, die ihnen zugrundeliegenden Vorgänge und Voraussetzungen zu untersuchen. KW verfolgt aber auch das weitergehende Ziel Kognition auch bei anderen Organismen und bei technischen Systemen („Künstliche Intelligenz“) zu beschreiben und zu erklären. Der Gegenstand der KW ist also die Erforschung kognitiver Systeme, ihrer kognitiv relevanten Strukturen und der darin ablaufenden Prozesse, sowie der daraus hervorgehenden Leistungen.“ (https://www.cognition.uni-freiburg.de/)

Zurück zum Online Dating…

Die Problematik dieses Artikels könnte anhand der kognitionswissenschaftlichen Forschung beantwortet werden – na ja – es verhilft zu einer alternativeren Antwort als „Auf Tinder sind halt nur blöde Menschen“ und kann aufklären inwiefern der Aufbau und Algorithmus von Dating Apps wie Tinder solche Aussagen beeinflussen.
Der Auswahlpool ist in Online Dating so groß, dass Sortierhilfe-Werkzeuge – wie z.B. das gute alte „Swipen“ – auf der Website eingebaut sind (Rech, 2024). Dieser Algorithmus sortiert somit die Auswahl- und Ausschlusskriterien, damit die Informationsüberladung, bzw. der “information overload“ von verschiedenen Partner*innenmöglichkeiten nicht zu groß ist. Die Partner*innenwahl wird durch das schnelle Swipen gestrafft und rationalisiert.  (Rech, 2024)

Was ist Hyperchoice?

Die kognitionswissenschaftliche und psychologische Perspektive auf Online-Dating und dessen Auswahlkriterien ist folgende: es können in Online-Dating-Plattformen sogenannte „Entscheidungssituationen mit extrem vielen Auswahlmöglichkeiten“ (Rech, 2024) erkannt werden. Diese Situationen bezeichnet man unter anderem auch als Hyperchoice-Situationen.

“Beim Online-Dating, besonders über Dating-Apps, kommt diese Situation auf, da die Massen an potenziellen Partner*innen die suggeriert wird, oft im dreistelligen Bereich (oder mehr) ist. In Situationen wie diesen, die deutlich mehr Auswahlmöglichkeiten aufstellen, stellt sich Überforderung ein eine Entscheidung zu treffen, auch wenn es auf den ersten Blick attraktiv erscheint.” (Rech, 2024)

Wenn dann noch dazu die Optionen (in diesem Fall die Anzahl potenzieller Dating-Partner*innen) einen hohen Preis haben, kann es zu Überforderung kommen:

“Die Situation wird weniger fair wahrgenommen und nach der Entscheidungsfindung stellt sich nicht selten Unzufriedenheit bzw. Reue ein” (Rech, 2024)

Der unendliche Zyklus

Obwohl die Dating Plattform versucht die Partner*innenwahl unter Kontrolle zu kriegen, sind die Nutzer*innen überlastet. Es gibt zu viel Auswahl. Somit tendieren Nutzer*innen strengere Kriterien zu ziehen (wie z.B. eine unsichtbare Checkpoint Liste kreiieren,  die die andere Person erfüllen soll).
Dennoch kann auch nach einer Entscheidung (nach einem Treffen oder einem Date) Unzufriedenheit und Enttäuschung auftauchen – es gibt halt keine*n perfekte*n Partner*in. (Rech, 2024).
Die Nutzer*innen bewegen sich zurück zum Online-Dating-Auswahlspool, und das Swipen fängt wieder an….

Tja… was tun?!

Das ist halt die Frage… Online-Dating ist ein großer Markt… Und auch Dating Plattforms wie Hinge, die versprechen, dass du die App definitiv löschen wirst (weil du jemanden “perfekten” gefunden hast nicht andersrum) profitieren von der konstanten Nutzung der Massen an Personen.

 

 

 

Quelle:

Rech, J. (2024). Buchkommentar zu Gefühle in Zeiten des Kapitalismus von Eva Illouz Hyperchoice Situationen im Online Dating mit Bezug zu “Situationships” [Hausarbeit]. Albert-Ludwig-Universität Freiburg.